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Queeres·Chaos·Kollektiv

Schlagwort: Trans

Ein Plädoyer für Queere Perversion

„Not Gay as in Happy, but Queer as in Fuck You“ ist ein Mantra, das ich schon seit meiner Jugend höre – aber erst vor einigen Jahren wirklich verinnerlichen konnte. Mit einer Leidenschaft und einem Trotz, die mein jugendliches Ich gleichermaßen überrascht und begeistert hätten.

Der Satz selbst spielt auf die Geschichte zweier englischer Worte an, die als Überbegriffe für unsere Communities und unsere Befreiungs-Bewegungen benutzt wurden.

Der erste: Gay, auf Deutsch meist mit schwul oder homosexuell übersetzt, wobei schwul nur einen Teil des Wortes ausdrückt und homosexuell seine eigenen Probleme hat. Gay ist ein kurzer und umfassender Begriff für gleichgeschlechtlich romantisch und/oder sexuell orientierte Menschen. Er bedeutete ursprünglich happy, oder glücklich/froh und hat somit – rein semantisch – eine positive Konnotation.

Queer hingegen wurde vor dem 20. Jahrhundert hauptsächlich im Kontext von seltsam, komisch, falsch verwendet und hat später auch pervers, unnatürlich impliziert. Also bestenfalls neutral, jedoch eher sehr negativ behaftet. Das ist einer der Aspekte, den Menschen – auch Angehörige der Community – heute kritisieren. Warum nennen wir uns so? Queer ist eine Beleidigung, ein Wort, das gegen uns verwendet wird.

Genau, das ist es – so wie jedes Wort, das uns jemals beschrieben hat. Ich wette, dass niemensch ein Wort finden kann, das uns beschreibt, aber nie als Schimpfwort gegen uns benutzt wurde. Deswegen ist die Bedeutung von queer so widerständig. Es lässt sich nicht einordnen, nicht kategorisieren, assimilieren. Und das ist der Kernpunkt – queer wie „ich passe mich dir nicht an“, queer wie „ich scheiß auf deine Norm“, queer wie „ich existiere, das ist in Ordnung so, und du hast nichts dazu zu sagen“, queer wie fuck you.

Deswegen benutze ich queer für mich und meine Community. Es ist das einzige Wort, das uns wirklich alle einschließen und gleichzeitig nicht begrenzen kann. Queere Identität ist ihr eigenes Biest, mit Nuancen und Widersprüchen. Und sie passt nirgendwo rein, ohne anzustoßen.

Das ist für viele von uns so. Ich bin eine fette inter*, nicht-binäre trans Person, die in der Punkszene groß geworden ist und habe zwar schon früh meine lesbische Identität entdeckt, jedoch lange genug den Rest nicht verstanden. Selten fühlte ich mich so gesehen wie unter anderen Freaks, die aus welchem Grund auch immer – Konsum, Aussehen, politische Einstellung, Queerness, Behinderungen, etc – unerwünscht waren. Viel des queeren Erstkontakts waren Butch Lesben, die in ihrer eigenen Community schräg beäugt wurden, Cosplayer die sich dezidiert als transsexuell bezeichneten, Drag Queens, Furries, junge Queers mit bunten Haaren oder wie wir uns damals nannten: Dyklings (Anm.: von Ducklings (Entenküken) und Dyke (eng. Selbstbezeichnung und Schimpfwort für Lesben)). Ich wünschte heute, ich hätte mich nicht so sehr abschrecken lassen und mir viel mehr Zeit mit Butch Lesben genommen, weil deren Gender-non-conformity so etwas Kämpferisches und Anziehendes hat. Viele dieser Gruppen hatten wenig Möglichkeit, sich anzupassen, selbst wenn wir es gewollt hätten.

Ich habe schon herausgestochen, bevor ich mir das erste Mal die Haare abgeschnitten habe. Ich war schon immer unerwünscht.

Doch je mehr Länder sich zumindest Themen wie Ehe für Alle annehmen, desto mehr Akzeptanz gibt es, und desto mehr Chancen kommen auf, sich anzupassen. Auf Englisch wird es Respectability Politics genannt, ein fachübergreifendes Konzept, das sich damit beschäftigt, zu welchen Standards marginalisierte Gruppen gehalten werden, um scheinbar akzeptiert zu werden. Es wurde als erstes von Evelyn Brooks Higginbotham im Rahmen von Black Liberation und Frauenbewegungen so benannt.

Unzählige Beispiele können dafür in verschiedensten Kontexten genannt werden – eine kurze Perspektive im Kontext von Anti-Black Rassismus findet ihr in The Rise of Respectability Politics von Fredrick C. Harris

Für queere Menschen, oder eher LGBT+ Menschen, sieht das meist so aus: dünne bzw. trainierte, weiße, konventionell attraktive Menschen zeigen, wie normal sie sind. Dass sie sind wie alle anderen, nur dazugehören wollen, nicht zu weit aus der Box raustreten, und diese hässlichen, unangepassten, anstößigen Queers mit ihrer sichtbaren Nicht-Konformität und Kinks und so weiter ja genauso doof und übertrieben finden. Ich will mich hier nicht über andere queere Menschen auslassen; es ist ein Schutzmechanismus, den Minderheiten überall schon lange nutzen, um selbst aus der Schusslinie zu kommen.

Von solchen Gefühlen her kommen auch Diskussionen, was denn bei der Pride angebracht ist, ob Kink einen Platz haben darf, und wer sich alles queer nennen darf. Ich war vor nicht allzu langer Zeit selbst nicht sicher, wie ich dazu stehen soll, welches Image wir als Community nach draußen projizieren wollen. Aber das ist eine Falle. Es ist toxisch für unsere Gemeinschaft, unseren Kampf und uns selbst. Es ist schlicht und einfach ahistorisch. Jede queere Bewegung lebte schon immer von denen, die am Rande oder ganz außerhalb der (feinen) Gesellschaft stehen. Leather Daddies, Dykes on Bikes, Kinksters, Crossdresser, Transsexuelle; ohne einander hätten wir heute nicht die Rechte, die wir haben. Und heute wollen wir sie rauswerfen, weil sie sich auf Social Media nicht so gut machen.

Für alle, die sich noch nicht sicher sind, vor allem junge Menschen: hört mir gut zu. Bedingte Akzeptanz ist keine Akzeptanz. Wir sind nie sicher, wenn unsere Existenz nur dann erlaubt ist, solange wir gewisse Grenzen nicht überschreiten. Und damit meine ich explizit die Leute, die bei euch teils Unbehagen verursachen. Menschen in vollem Kink Get-Up bei der Pride, in Fursuits, trans Menschen die nie Passing haben werden, die sich „cringey“ auf Social Media verhalten, hysterisch werden, psychische Erkrankungen, Neurodivergenzen oder Behinderungen haben, sich stereotypisch und „dramatisch“ verhalten, die konsumieren oder Sexarbeit machen. Alle, über die die Gesellschaft auch heute im besten Fall aktiv schweigt. Es ist ok, wenn ihr mal private Berührungsängste habt. Es ist auch in Ordnung, sich manchmal unwohl zu fühlen. Aber das darf nie darin ausarten, die verletzlichsten von uns auszuschließen und unsere Identitäten zu bereinigen zu versuchen, damit sie möglichst leicht verdaulich sind.

Queer ist absichtlich ein Wort, das keine genauen Grenzen hat. Ich werde sicher niemensch aufzuschlüsseln versuchen, was genau queer ist, ab wann Nicht-Monogamie oder Kink da reinfällt, und wer bei der Pride dabei sein darf. So viele wir auch sind, und so viel einfacher die Dinge geworden sind: wir sind von derselben erstickenden Normativität betroffen, die uns am liebsten ganz weg hätte. Und meint nicht, dass ihr nicht die nächsten wärt, wenn die anderen wegillegalisiert worden sind. Wir sehen es gerade in den USA; zuerst Drag Queens, als nächstes werden wieder alte Sodomie-Verbote (Anm.: Sodomie ist eine sehr abfällige Bezeichnung für Analsex, primär auf Sex zwischen Männern bezogen) in die politische Diskussion zurückgeholt.

Auf eine Weise queer zu sein, die viele einfach nicht verstehen und nicht als schön oder ansehnlich wahrnehmen, braucht mehr Mut als die meisten in ihrem Leben jemals aufbringen werden. Authentisch mensch selbst zu sein, auch wenn die Leute lachen und auf mensch spucken, ist einfach nur Punk. Deswegen werde ich mich jederzeit lieber zu den Freaks gesellen als in die „gehobene“ Gesellschaft. Die Freaks sind sowieso unendlich sexier. Und ich hoffe sehr, dass auch ihr nochmal tief in euch schaut und beim nächsten Pride daran denkt:

Gay oder Queer?

So oder so, fick deine Norm.

All-Gender Toiletten

Statement zur aktuellen Debatte um genderneutrale Toiletten an der Uni Innsbruck

Wie viele von euch bestimmt schon mitbekommen haben, hat es in den letzten Tagen eine Aktion von unbekannten Personen gegeben, die genderneutrale Beschilderung an Universitätstoiletten angebracht haben. Auf Social Media wurden Bilder von diesen Schildern gepostet, woraufhin die Uni Innsbruck dazu Stellung bezogen hat. Hier findet ihr diese Stellungnahme, um euch selbst ein Bild zu machen. Viele Personen haben diesen Anlass genutzt, um negative Aussagen über trans und nicht-binäre Personen zu tätigen.

Genderneutrale Beschilderung an einer Universitätstoilette

Wir wollen uns der Debatte nicht anschließen, sondern in unserem Statement auf das eigentliche Thema zurückkommen und betonen, weswegen geschlechtsneutrale Toiletten notwendig und sinnvoll sind. Der Gang auf die Toilette sollte für alle Menschen unkompliziert, in einem angemessenen Zeitfenster möglich und vor allem sicher sein. Trans, nicht-binäre und inter* Personen sowie Menschen, die nicht eindeutig feminin bzw. maskulin aussehen werden jedoch häufig verbal beschimpft und Opfer von Übergriffen, wenn sie eine der binär betitelten Toiletten benutzen.
Um allen Menschen also ein sicheres WC zu gewähren, sollte es ausreichend Optionen für alle geben. Es ist die erste und wichtigste Priorität, allen Menschen, unabhängig vom Geschlecht, den sicheren und unkomplizierten Gang zur Toilette zu ermöglichen. Ausreichend geschlechtsneutrale Toiletten sind der einfachste Weg, dies umzusetzen. Dass dies auch möglich ist, zeigt beispielsweise die Universität in Wien, die bis dato 22 All-Gender Toiletten an ihren Standorten eingeführt hat (hier die Infos dazu). Außerdem findet ihr hier einen Leitfaden der ÖH, der das Thema näher aufschlüsselt.

Unsere Forderung

Öffentliche Toiletten sind Voraussetzung, um in öffentlichen Räumen teilnehmen zu können. Ein Mangel daran bedeutet die Verdrängung aus dem öffentlichen Raum. Diesen Mangel auszugleichen ist ein kleiner Schritt, der schnell und unkompliziert durchgeführt werden kann und das Leben vieler Menschen stark vereinfacht.
An der Universität Innsbruck sind bisher 4 Toiletten offiziell geschlechtsneutral beschildert. Insgesamt gibt es jedoch 16 Gebäude mit 200 Toiletten. Das reicht nicht annähernd aus! Wir fordern deswegen: ausreichend All-Gender Toiletten, um den Gang zum WC für alle einfach und sicher zu machen.

Trans Day of Remembrance 2022

Vier Banner und eine Flagge von vielen Kerzen umringt auf dem Straßenboden. Die Flagge ist eine Regenbogenflagge mit einem Pfeil nach rechts aus schwarzen, braunen, weißen, blauen und pinken Streifen sowie der inter* Flagge im Pfeil. Die Banner zeigen von links nach rechts: "Give Us Roses While We're Still Here" mit gemalten Rosen; "No Pride For Some Of Us Without Liberation For Some Of Us" mit der Regenbogen- Trans- Inter*- und Nichtbinär-Flagge; "Queeres Chaos Kollektiv est. 2022" auf einem Regenbogen als Kreis arrangiert; "Trans Liberation Now" mit Trans-Flagge und dem A in Trans als Anarchie-Symbol.

Der Trans Day of Remembrance findet seit 1999 immer am 20. November statt, um trans und genderdiversen Menschen zu gedenken, welche im vergangenen Jahr durch transfeindliche Gewalt ums Leben gekommen sind.

Das Queere Chaos Kollektiv organisierte anlässlich dieses Gedenktages eine Kundgebung und wurde von dem Feministischen Aktions Kollektiv und ArchFem tatkräftig unterstützt.

Es gab zahlreiche berührende Redebeiträge, unter anderem von Ronja vom QCK, Dora Sellner von der SOHO Tirol und dem QCK, einem Menschen von den IWW sowie anderen trans Menschen und Allies. Wir haben über Queer Rage, Trauer, Wut, Verlust, Gewalt gesprochen – jedoch waren Queer Joy, Gemeinschaft, Unterstützung, Liebe und Zusammenhalt ebenso stark, wenn nicht noch stärker, vertreten.

Es wurden 390 Namen von getöteten und verstorbenen trans und genderdiversen Personen verlesen. Besonders die Intersektion von Rassismus und Transfeindlichkeit ist hier hervorzuheben – ein Großteil der Verstorbenen waren transfeminine Personen und BIPOC, es liegt noch viel Arbeit vor uns.
Ca. 50 Personen waren anwesend, haben Solidarität gezeigt und sind als Gemeinschaft zusammengekommen. Es ist uns als Queeres Chaos Kollektiv besonders wichtig, die queere Community in Innsbruck sichtbar zu machen und zu vereinen. Wer Unterstützung oder Anschluss sucht, kann uns gerne auf Instagram oder per Mail kontaktieren.

Wir bedanken uns an dieser Stelle noch einmal sehr für die Unterstützung aller Organisationen und Einzelpersonen, sowohl in der Trans Awareness Week als auch am Trans Day of Remembrance. Gemeinsam sind wir am Lautesten, Stärksten und Schönsten!

Danke an das Greenoffice LFU, die VSSTÖ, das Café Weli, das Café Lotta und Lotta Kollektiv, die Bäckerei, ArchFem und jede einzelne Person, die etwas beigetragen hat oder einfach nur dabei war – bis zum nächsten Mal!

Aus gegebenem Anlass möchten wir hier noch auf den Fundraiser für die Opfer des Shootings in Colorado verweisen.

Wir waren zu Gast bei Freirad

Diese Woche waren Lui & Ronja von unserem Queeren Chaos Kollektiv zu Gast bei das mensch. gender_queer on air bei Freirad.

Die beiden erzählen vom Gründungsprozess des Kollektivs, unseren Grundsätzen, unserer antihierachischen Struktur und warum uns mehr Aktivismus und Austausch so sehr am Herzen liegt. Das vielfältige Programm der Trans Awareness Week wird noch einmal ausführlicher vorgestellt.

Hier geht’s zum Nachhören

An dieser Stelle ein herzliches Dankschön an das mensch. gender_queer on air für die Einladung. Wir haben uns sehr darüber gefreut! Und unser Dank geht an diser Stelle auch noch einmal an all unsere Kooperationspartner*innen, ohne die die Trans Awareness Week nicht in dieser Form möglich gewesen wäre!

Trans Awareness Week

Wir haben im August 2022 das Queere Chaos Kollektiv mit dem Ziel gegründet, Aktivismus und queeres Leben zugänglich, offen für alle, und präsent in Innsbruck und Tirol zu machen. Ein besonderes Anliegen war uns dabei auch, trans Personen und Lebensweisen zu zentrieren. 

Deswegen war eine der ersten Aktionen, die wir zu planen begonnen haben, die Trans Awareness Week in Innsbruck. Angelehnt an den Prager Pride wollten wir zusätzlich zur Kundgebung am Trans Day of Remembrance auch für die Trans Awareness Week Veranstaltungen planen, die sowohl der Information als auch Unterhaltung dienen. Dazu war unser Ziel, mit anderen Lokalen und Organisationen zu kooperieren, um ein möglichst breites Publikum zu erreichen. Wir freuen uns, gemeinsam mit Greenoffice der LFU, Transgender Ambulanz Innsbruck, Weli, VSSTÖ, Renner Institut Tirol, Café Lotta, Fear the Queer und Die Bäckerei folgendes Programm vorstellen zu dürfen:

Es gibt Angebote für trans Menschen selbst, für Allies, für die, die es werden wollen, und für die, denen das ganze Thema noch neu ist. Mit den Veranstaltungen wollen wir Bewusstsein für trans Menschen und Lebensweisen schaffen, über den Themenbereich Trans aufklären, Einblicke in queeres Leben und queere Perspektiven geben, und Menschen die Chance eröffnen, Fragen zu stellen und sich einzubringen.

Wir möchten die Gelegenheit außerdem nutzen, unsere Anliegen und Forderungen an die Gesellschaft und die Politik anzubringen!

Trans Personen gab und gibt es schon immer, wir sind ein wertvoller und perspektivenreicher Teil der Gesellschaft, und dem Normdenken seit jeher ein Dorn im Auge. Trotz zunehmender Sichtbarkeit im öffentlichen Diskurs mangelt es noch immer an Strukturen, die für unseren Schutz, unsere Teilhabe, unsere Gesundheit und unsere Lebensqualität sorgen. Um sicherzustellen, dass jede trans Person in Österreich die Rechte und Anerkennung hat, die er*sie braucht, fordern wir: 

Politische Selbstbestimmung durch eine Reform des Personenstands- und Namensrechts und Öffnung des dritten Geschlechtseintrags

Die Änderung des Geschlechtseintrags soll unbürokratisch und vor allem depathologisiert werden. Es sollen keine teuren und invasiven Gutachten notwendig sein, sondern der Personenstand über eine persönliche Erklärung geändert werden. Außerdem soll der dritte Geschlechtseintrag für alle zugänglich sein, ob inter*, nicht-binär, trans, oder sonstig identifiziert. Wir fordern auch ein Ende für die veraltete Klausel, dass Vornamen dem Geschlecht angepasst sein müssen. 

Schaffung eines Ergänzungsausweises ähnlich des deutschen DGTI-Ausweises in Österreich

Die DGTI ermöglicht in Deutschland einen Ergänzungsausweis, auf dem das tatsächliche Geschlecht und der gewählte Name auch vor der offiziellen Personenstandsänderung aufscheinen. Ein solcher Ausweis beinhaltet z.B. die Reisepassnummer und kann als zusätzliches Identifikationsdokument benutzt werden, um Misgendern, Diskriminierung und Schwierigkeiten durch Diskrepanzen zwischen Erscheinungsbild und Geschlechtseintrag zu vermeiden. Wir fordern, dass ein solches Dokument auch in Österreich ermöglicht wird!

Ausweitung der medizinischen Versorgung für trans Personen und übergreifende Schulung der betreffenden Berufsgruppen

Wir benötigen dringend mehr geschultes Gesundheitspersonal, um die Versorgung von trans Tiroler*innen zu gewährleisten. Aktuell sind die Wartezeiten an der Transgender Ambulanz und bei Courage viel zu lang; zudem gibt es wenig niedergelassene Mediziner*innen, die das notwendige Wissen über trans Personen haben, um uns bei der Transition und im Alltag adäquat begleiten zu können. Wir fordern deswegen höhere Budgets für trans Versorgung und verpflichtende Schulungen zu trans Menschen für Mediziner*innen, vor allem Psychiater*innen, Therapeut*innen und Allgemeinärzt*innen. 

Sexualkunde
Immer mehr junge Menschen entdecken durch TikTok und andere Social Media Plattformen ihre eigenen queeren Identitäten. Wir beobachten, dass junge Menschen offener werden und mehr Möglichkeiten haben, sich auszudrücken. Um das zu reflektieren, ist es unabdingbar, trans und queere Existenz sowie die jeweiligen Bedürfnisse im Sexualkundeunterricht zu behandeln. Es darf nicht sein, dass queere Jugendliche auf eigene Faust nach Informationen über ihre sexuelle Gesundheit suchen müssen – vor allem, wenn die Norm sehr eng gehalten ist und damit auf eine geringe Menge an Menschen vollständig zutrifft. Umfassenden Sexualkundeunterricht für alle – jetzt!

Statistiken zu transfeindlicher Gewalt und Diskriminierung

Um zu visualisieren, wie unsere Situation in Österreich tatsächlich aussieht, fehlen oft Statistiken und Erhebungen. Wir fordern deswegen, dass trans und queere Menschen in demografische Statistiken explizit aufgenommen werden, vor allem, wenn es um Gewalt und Diskriminierung geht. Schluss mit der Unsichtbarkeit!


Natürlich sind das nicht alle Themen, die trans Leben betreffen – doch es sind die Anliegen, die für uns aktuell am drängendsten sind. 

Wir hoffen, dass du in der Trans Awareness Week, am Trans Day of Remembrance und im Alltag mit uns für Trans Akzeptanz einstehst und uns unterstützt. Wir danken dir dafür sehr herzlich und freuen uns, dich bei der einen oder anderen Veranstaltung zu sehen.

Trans Liberation Now!

Trauerkundgebung für Malte – Redebeitrag QCK

Im Folgenden lest ihr einen Redebeitrag, der bei der Trauerkundgebung für Malte am 07.09.2022 von Ronja für das QCK gehalten wurde.

Wir sind heute hier, um Malte zu gedenken, der gestorben ist, nachdem er zwei lesbische Frauen vor einer homo- und transphoben Attacke beschützt hat und der Täter ihn brutal zusammengeschlagen hat.

Allem voran ist es ein schrecklich trauriger Anlass. Jedes Mal, wenn jemand derart aus unserer Community gerissen wird, spüren wir die Schockwellen überall. Malte war einer von uns, und sein Verlust schmerzt, auch wenn wir ihn nicht persönlich gekannt haben. Er war und wird immer Teil unserer Familie sein und wir werden ihn in Erinnerung behalten.

Ich möchte den heutigen Anlass nutzen, um über uns zu sprechen, trans Menschen, und unsere Community zu erinnern und zu ermahnen, uns nicht zu vergessen, unsere Anliegen und unsere Beiträge zum queeren Aktivismus zu würdigen und uns darauf zu besinnen, warum wir eine Community sind.

Die Stonewall Riots im Jahr 1969 werden weitgehend als Beginn der queeren Bewegung angesehen. Wir hören oft die Phrase „The first Pride was a Riot“, und es stimmt – der erste Pride war keine Parade mit Sponsoren und politischer Absegnung, sondern ein Aufstand von queeren Menschen, die sich gegen die Polizei wehrten. Allen voran standen trans Frauen of Color, wie Marsha P. Johnson und Sylvia Rivera. Aktivistinnen, die auch später unter anderem durch die Gründung von Street Transsexual Action Revolutionaries für unsere Community und vor allem die Menschen, die es am schwersten haben, einstanden.

Doch es hat nicht da angefangen. Queere Menschen gibt es schon seit es Menschen gibt, und es waren oft trans und inter* Personen, oder wie sie in verschiedenen Zeiten genannt wurden, Transsexuelle, Hermaphroditen, Drag Artist:innen, Shaman:innen, religiöse Figuren, und Freaks, die uns sichtbar gemacht haben.

Sich verstecken zu können mag kein Privileg sein, doch vor allem wenn wir unerwünscht sind, kann es ein Schutz sein. Ein Schutz, den viele trans Personen nicht haben und nie haben werden. Um authentisch zu leben und zu lieben sind wir meist gezwungen, uns der Welt zu offenbaren und ständig über unsere Schulter zu schauen, ob sich gerade jemand einbildet, uns eine Lektion zu verpassen. Selbst bevor ich mich geoutet habe hatte ich als inter* Person keine Chance, den Belästigungen, Übergriffen und der Gewalt zu entkommen, die ich nicht einmal einordnen konnte. Und jede Form von Queerphobie ist Gewalt!

Es ist nicht sinnvoll, zu vergleichen, wer es am Schlimmsten hat. Aber ich will euch ins Gedächtnis rufen, dass wir als trans Personen schon immer für alle von uns gekämpft haben. Dass wir alles riskieren, um unsere Community zu schützen und für unsere Rechte zu kämpfen. Dass wir unsere Türen für alle die öffnen, die nicht wissen, wohin. Dass wir Räume schaffen und uns sichtbar machen, egal, ob es dem Staat und der Gesellschaft passt.

Deswegen schmerzt es umso mehr zu sehen, wenn sich Organisationen von trans Personen distanzieren. Der Anstieg von trans-exclusionary radical feminism. Der Ausschluss von trans Frauen aus Fraueneinrichtungen. Die Trivialisierung der Diskriminierung von trans Männern, die oft dazu führt, dass sie sich als Frauen einordnen müssen, um den Schutz zu bekommen, den sie brauchen. Das Lächerlichmachen von nicht-binären Personen, die Stereotypisierung, die ständige Frage nach dem „echten Geschlecht“. Die völlige Vergessenheit, in die inter* Personen oft geraten. Die Diskussion um Passing, als ob es nicht für viele um die eigene Sicherheit geht, und gleichzeitig, als ob wir alle cis aussehen wollen würden, und Passing einfach erreichen könnten. Ich habe zu viele TERFs online gesehen, die Malte misgendern, ihn als Frau bezeichnen und seine Transidentität völlig ignorieren, seinen Tod instrumentalisieren.

Es tut so weh, wenn wir alles in unsere Communities stecken, und dafür bei erster Gelegenheit rausgeschmissen werden. Wir sind nicht alle das perfekte Bild der trans Person, die es seit der Kindheit weiß und dann die komplette Transition macht, bis sie in die cis-Schablonen passt, respektabel ist.

Ich sehe immer wieder, wie wir online darüber diskutieren, wer welche Worte benutzen darf, was trans sein bedeutet, wer in welche Räume darf, was jetzt richtig und falsch ist. Und es ist schön, dass wir inzwischen die Möglichkeit haben, über solche Nuancen zu sprechen. Aber ich appelliere heute an euch: vergesst nicht, dass wir EINE Community sind.

Wir brauchen einander. Alle von uns; auch die, die nicht passen, die die neuesten Begriffe nicht kennen, die nicht cis aussehen und sein wollen, die Geschlecht als Spielplatz ansehen, die Geschlecht komplett ablehnen. Die Sexarbeiter:innen, die mit Behinderungen, die Obdachlosen, Abhängigen, Kriminellen. Die Freaks, die Verrückten, die Revolutionär:innen. Alleine schaffen wir es nicht in eine Welt, in der wir wirklich ohne Angst frei leben können.

Wir müssen uns nicht immer verstehen, aber wenn es drauf ankommt, müssen wir füreinander einstehen. Räume für uns ALLE schaffen, auch die, die nicht in die vorhandenen Boxen passen. Deswegen liebe ich das Wort queer – wir sind alle darin enthalten. Egal, ob wir fünf Identitätslabel haben oder kein einziges.

Ich wünsche mir, dass wir dem Wort wieder gerecht werden. Dass wir niemanden ausschließen, sondern uns zusammentun und gemeinsam für eine bessere Welt kämpfen. Dass wir füreinander da sind, aufeinander schauen, vor allem auf diejenigen von uns, die keine Familie haben, kein Umfeld, die am Rand der Gesellschaft stehen. Ich wünsche mir Queer Joy, Liebe und Zusammenhalt. Und ich wünsche mir, dass wir am Trans Day of Remembrance keine Namen mehr verlesen müssen.

Danke, Malte, dass du Teil unserer Familie bist. Danke, dass du für uns eingestanden bist. Es tut mir unendlich Leid, dass du so aus dem Leben gerissen wurdest. Rest in Power, und ich hoffe, du findest Frieden.

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