Im Folgenden lest ihr Ronjas Beitrag zum Intersex Awareness Day 2022. Dey spricht über deren Erfahrungen mit Inter* Sein, Community und Aktivismus. Ihr könnt diesen Beitrag auch auf Youtube finden.

Ich bin Ronja, ich bin 28, ich bin Wassermann, liebe Katzen und vegetarisches Essen, und ich bin inter*.

Diagnostiziert wurde ich mit ca. 24 Jahren. Natürlich nicht als inter*, sondern mit meiner Variation. Und hätte ich es nicht selbst gewusst, dann hätte mir auch niemand gesagt, dass ich inter* bin.

Aber ich wusste es, weil ich es seit ich ein Kind bin zu spüren bekommen habe. Ich war größer, haariger, muskulöser, verschwitzter als meine Klassenkameradinnen. Meine Pubertät verlief nicht so wie erwartet. Und ich wurde gnadenlos gemobbt. Als Frau akzeptiert wurde ich ohnehin nicht, nicht von gleichaltrigen – und selbst auf queeren Parties wurde mir ungefragt an die Brüste gegriffen um zu testen, ob sie echt sind.

Zum Glück war ich ein internet-Kind – ich habe viel Zeit auf Foren und in den Ecken, wo die Freaks sich rumtrieben verbracht. Ich habe gesucht und gesucht, was denn nun der Grund für alle meine Eigenarten war. Ich habe über inter* Personen gelesen, was intersex bedeutet und wie sich das äußert. Aber ich war nie bei einer*einem Gynäkologin*en. Ich habe mich nie getraut. Und ich dachte nicht, dass das, was ich erlebe, ausreicht, um mich inter* zu nennen.

10 Jahre lang habe ich immer wieder daran gedacht. Hatte eine oder zwei Geschlechtsidentitätskrisen und hatte es immer im Hinterkopf: wenn ich inter* wäre, würde das alles erklären. Wenn ich inter* wäre, könnte ich endlich Ruhe finden.

Und dann, auf einmal, hatte ich den Zettel in der Hand. Auf einmal hatte ich die Legitimation, die ich mir immer gewünscht hatte. Nicht, dass meine Ärzt*innen es je so genannt haben. Aber ich habe Gemeinschaft gefunden. Ich hab mich getraut, einem Server beizutreten, mit den Leuten zu sprechen, denen ich lange gefolgt habe. Keine*r von ihnen wollte einen Beweis – ich wurde mit offenen Armen aufgenommen.

Es ist nicht leicht, Community zu finden. Viele inter* Personen wissen ein Leben lang nicht, dass sie es sind. Anderen wird es absichtlich verschwiegen. Nicht alle inter* Personen suchen nach Community. Doch, die, die ich gefunden habe, hätten mich auch vor 10 Jahren schon aufgenommen, wenn es die Gruppen da gegeben hätte.

Wie ich am Anfang gesagt habe, bin ich vieles außer inter*. Und ich will auf keine meiner Eigenschaften reduziert werden. Aber ich kann ehrlich sagen, dass meine inter* Identität das ist, was mir am meisten Freude, am meisten Freiheit, am meisten Community gebracht und am meisten offenbart hat. Trotz all dem Schmerz, der Ablehnung, der Marginalisierung – ich würde es um nichts in der Welt ändern.

Die inter* Menschen, die ich getroffen habe, mit denen ich Freundschaften geschlossen habe, die meine tausend Fragen beantwortet haben und mir tausend Fragen zurückgestellt haben – zu euch möchte ich sagen, dass ich euch liebe. Ich liebe über alles, dass ihr mir die Augen geöffnet habt, dass ihr mir einen Platz zum dazugehören gegeben habt, dass ich mit euch lachen und weinen kann, dass es nie langweilig mit euch wird, und dass ich eine ganz neue Art mit euch gefunden habe, ein Mensch zu sein.

Manchmal fühlt es sich an, als wären wir in der Matrix aufgewachsen und hätten dann einen Weg gefunden, das Ganze zu durchschaun. Es wirkt so absurd, dass wir Babys Geschlechter zuteilen. Es wirkt absurd, dass unser Pass einen Buchstaben drinstehen haben muss, der auch noch etwas über uns aussagen soll. Es wird absurd, dass wir so oft sexuelle Orientierung auf Genitalien reduzieren. Dass wir uns eine Toilette aussuchen sollen, als ob wir nicht alle gleichermaßen aufs Klo müssen.

Wir sind so unsichtbar. Es wird mir bewusst, wenn ich Tage wie diese plane, und keine Musik finde die speziell für uns gemacht ist, oder gar im Entstehungsprozess an uns gedacht hat. Wenn ich Infomaterialien brauche, wenn ich online nachsehe, was es sonst alles gibt. Ich möchte hier nochmal die unglaublich wichtige Arbeit von VIMÖ, VARGES und Plattform Intersex unterstreichen, die in Österreich so dringend notwendig ist.

Aber wir sind trotzdem hier, und ich habe ganz viel Unterstützung, und das macht mich glücklich.

Meine liebsten und schönsten Tage sind die, an denen ich mit anderen Menschen, die das durchschaut haben, Zeit verbringe. Ob trans, nicht-binär, inter*, queer, oder nichts davon; Menschen, die hinter den Vorhang gesehen haben und sich aktiv gegen dieses System stellen, euch hab ich am liebsten. Mit euch kann ich lachen ohne Angst zu haben, dass der nächste Witz auf meine Kosten geht. Mit euch kann ich über meine tiefsten Gedanken reden ohne Unverständnis zu bekommen. Mit euch kann ich so frei sein, wie ich es will.

Also Danke ich euch allen, die heute hier waren. Ich danke euch, dass ihr mit uns dieses archaische System durchschaut und durchlöchert, mit und kämpft, und mit uns lacht.

Danke!