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Queeres·Chaos·Kollektiv

Schlagwort: Queer

Queerer Spieleabend

Wir treffen uns am Montag, den 18.03. für einen Queeren Spiele- und Bastelabend im Stadtteiltreff Bienerstraße!✨

Es gibt…

  • Brett- und Kartenspiele
  • Basteln und Kreativwerkstatt
  • Kaffee, Tee und Säfte
  • Muffins und Kuchen (auch vegan)

Ganz egal, ob ihr für die Spiele, das Basteln oder nur für den Kuchen da seid, wir freuen uns, mit euch einen lustigen Abend zu verbringen! 🥳
Wann? Sonntag, 18.03. ab 17 Uhr
Wo? Stadtteiltreff Bienerstraße Bienerstraße 10
6020 Innsbruck

Wir freuen uns auf euch!Ganz liebe Grüße💜
Euer Queeres Chaos Kollektiv



TO BE SEEN – queere Geschichte & Sichtbarkeit in München

von Felix Lene Ihrig

Queer History auf Social Media ist toll – Queer History im real life (aka Museum) ist noch spannender! Deswegen wollen wir euch heute eine Ausstellung empfehlen, die noch bis Mai in München zu sehen ist und viele wertvolle Einblicke für Queers und Non-Queers bietet.

TO BE SEEN widmet sich den Geschichten von LGBTIQ* in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.“ So beschreibt das NS-Dokumentationszentrum München deren aktuelle Ausstellung auf der dazugehörigen Homepage https://www.nsdoku.de/tobeseen. Felix war schon kurz nach der Ausstellungseröffnung im Oktober dort und möchte für euch reflektieren, ob die Ausstellung hält, was sie verspricht, und eine Entscheidungshilfe zur Frage, ob sich der Besuch lohnt, bieten.

Fangen wir mit dem Titel an – did I feel seen?

Auf sehr vielen Ebenen ja, auf manch anderen nein. Als Person, die Label ablehnt (sich für euer Verständnis, in diesem Text und zu diesem Zeitpunkt aber etwa so einordnen würde: weiß, großteils able-bodied, omnisexuell, transmaskulin, nichtbinär…), sind die Voraussetzungen, sich in queerer Geschichtsschreibung wiederzufinden, eher dürftig. Die Vielfalt der dargestellten Personen und der Tiefgang der einbezogenen Geschichten hat mich daher sehr freudig überrascht. Ich habe zum Beispiel gelernt, dass eine der ersten dokumentierten transaffirmativen Operationen noch vor 1900 eine Art Mastektomie war. Es wird besonders schön dargestellt, wie sich um die 1920er in Europa eine „queere Community & Kultur“ entwickelt haben, die sich vor allem an Einschlüssen und dem Bedürfnis von safe_r spaces ohne strikte Grenzziehungen zwischen Identitäten orientiert haben. Zu sehen, dass diese Personen weder die Ersten noch die Letzten waren, die sich solche Fragen gestellt und sich aktiv für ein „gutes Leben“ eingesetzt haben, hat mich gleichermaßen frustriert und euphorisch gestimmt. Wortwörtlich „begreifen“ zu können, wie „wir“ in manchen Fragen schon sehr viel näher an diesen Grundgedanken gekommen sind und in anderen eher 10 Schritte zurück gemacht haben, ist ein großer Pluspunkt dieser Ausstellung, die nicht nur zum passiven Anschauen einlädt.

Wie steht es um den Ausstellungsort?

Da es sich um ein gefördertes Dokumentationszentrum handelt, kann die Ausstellung kostenlos besucht werden. Das lädt eindeutig auch viele Non-Queers zum „mal Reinschauen“ ein und ist auch sonst einfach wunderbar. Besonders wenn eins von Innsbruck anreist (kleiner Hinweis: Gruppen-Bayern-Ticket lohnt sich). Und es zeigt ganz klar, wodurch die „10 Schritte zurück“ bedingt sind. Den einschränkenden Faktoren, welche die lebhafte queere Kultur der 1920er gezielt verdrängt haben, wird ein großer Teil der Ausstellung gewidmet. Dank klarer Unterteilung und entsprechenden Überschriften kann eins sich aber auf die schönen Aspekte der Ausstellung fokussieren, falls die Auseinandersetzung mit nationalsozialistischer & Holocaust-Geschichte zu belastend wäre (Pro-Tipp: nicht dem offiziellen Ausstellungspfad folgen, sondern gegenchronologisch durchgehen, dann endet eins mit Euphorie!).

Wie gelingt kritisch(e) queere Geschichte?

Die Ausstellung zeigt sehr schön, wie Gesellschaftskritik und Bildungsarbeit mit Kunst ausgedrückt werden können, was Archivarbeit für nachfolgende Generationen bedeuten kann und woran wir uns orientieren könnten, um das Rad nicht neu zu erfinden, sondern den Kampf unserer „chosen ancestors“ (also Wahl-Vorfahren) weiterzuführen. Es wird außerdem deutlich auf den ambivalenten Aspekt der Sichtbarkeit eingegangen. Wusstet ihr, dass es in den 1920ern einen „trans/crossdress Ausweis“ gab, welcher erniedrigende Polizeikontrollen ersparen sollte? Klingt nach einer super Sache… war es auch, bis die nationalsozialistische Regierung sich das entsprechende Register vorgenommen hat, um queere Menschen gezielt aufsuchen und bestrafen zu können. Diese tragische Wendung lässt mich seit dem Ausstellungsbesuch nicht mehr los und hat meinen kritischen Blick für aktuelle Entwicklungen geschärft. Einen entsprechenden Hinweis in der Ausstellung habe ich vergeblich gesucht. Auf nonmonosexuelle (z.B. bisexuelle), inter*, nichtbinäre und andere innerhalb der queeren Community marginalisierte Personen wird zwar in der Ausstellung eingegangen, jedoch nur wenig. Die intersektionale Auseinandersetzung mit dieser (andernorts oft systematischen) Verunsichtbarung gehört für mich zu einer kritischen, queeren Geschichtsschreibung dazu und dürfte gerne etwas deutlicher ausfallen.

Sichtbarkeit im Gestern wie im Heute – für morgen!

TO BE SEEN bereichert also nicht nur die Beschäftigung mit queerer Geschichte, sondern auch mit queerer Gegenwart und schafft Hoffnung, sowie Realismus für queere Zukunft. Es gibt in dieser Vielfalt an Inputs sicher für alle Gelegenheiten, um Neues zu entdecken, Bekanntes aufzufrischen oder den eigenen kritischen Blick zu schärfen. Felix empfiehlt und wünscht queer joy!

Ein Plädoyer für Queere Perversion

„Not Gay as in Happy, but Queer as in Fuck You“ ist ein Mantra, das ich schon seit meiner Jugend höre – aber erst vor einigen Jahren wirklich verinnerlichen konnte. Mit einer Leidenschaft und einem Trotz, die mein jugendliches Ich gleichermaßen überrascht und begeistert hätten.

Der Satz selbst spielt auf die Geschichte zweier englischer Worte an, die als Überbegriffe für unsere Communities und unsere Befreiungs-Bewegungen benutzt wurden.

Der erste: Gay, auf Deutsch meist mit schwul oder homosexuell übersetzt, wobei schwul nur einen Teil des Wortes ausdrückt und homosexuell seine eigenen Probleme hat. Gay ist ein kurzer und umfassender Begriff für gleichgeschlechtlich romantisch und/oder sexuell orientierte Menschen. Er bedeutete ursprünglich happy, oder glücklich/froh und hat somit – rein semantisch – eine positive Konnotation.

Queer hingegen wurde vor dem 20. Jahrhundert hauptsächlich im Kontext von seltsam, komisch, falsch verwendet und hat später auch pervers, unnatürlich impliziert. Also bestenfalls neutral, jedoch eher sehr negativ behaftet. Das ist einer der Aspekte, den Menschen – auch Angehörige der Community – heute kritisieren. Warum nennen wir uns so? Queer ist eine Beleidigung, ein Wort, das gegen uns verwendet wird.

Genau, das ist es – so wie jedes Wort, das uns jemals beschrieben hat. Ich wette, dass niemensch ein Wort finden kann, das uns beschreibt, aber nie als Schimpfwort gegen uns benutzt wurde. Deswegen ist die Bedeutung von queer so widerständig. Es lässt sich nicht einordnen, nicht kategorisieren, assimilieren. Und das ist der Kernpunkt – queer wie „ich passe mich dir nicht an“, queer wie „ich scheiß auf deine Norm“, queer wie „ich existiere, das ist in Ordnung so, und du hast nichts dazu zu sagen“, queer wie fuck you.

Deswegen benutze ich queer für mich und meine Community. Es ist das einzige Wort, das uns wirklich alle einschließen und gleichzeitig nicht begrenzen kann. Queere Identität ist ihr eigenes Biest, mit Nuancen und Widersprüchen. Und sie passt nirgendwo rein, ohne anzustoßen.

Das ist für viele von uns so. Ich bin eine fette inter*, nicht-binäre trans Person, die in der Punkszene groß geworden ist und habe zwar schon früh meine lesbische Identität entdeckt, jedoch lange genug den Rest nicht verstanden. Selten fühlte ich mich so gesehen wie unter anderen Freaks, die aus welchem Grund auch immer – Konsum, Aussehen, politische Einstellung, Queerness, Behinderungen, etc – unerwünscht waren. Viel des queeren Erstkontakts waren Butch Lesben, die in ihrer eigenen Community schräg beäugt wurden, Cosplayer die sich dezidiert als transsexuell bezeichneten, Drag Queens, Furries, junge Queers mit bunten Haaren oder wie wir uns damals nannten: Dyklings (Anm.: von Ducklings (Entenküken) und Dyke (eng. Selbstbezeichnung und Schimpfwort für Lesben)). Ich wünschte heute, ich hätte mich nicht so sehr abschrecken lassen und mir viel mehr Zeit mit Butch Lesben genommen, weil deren Gender-non-conformity so etwas Kämpferisches und Anziehendes hat. Viele dieser Gruppen hatten wenig Möglichkeit, sich anzupassen, selbst wenn wir es gewollt hätten.

Ich habe schon herausgestochen, bevor ich mir das erste Mal die Haare abgeschnitten habe. Ich war schon immer unerwünscht.

Doch je mehr Länder sich zumindest Themen wie Ehe für Alle annehmen, desto mehr Akzeptanz gibt es, und desto mehr Chancen kommen auf, sich anzupassen. Auf Englisch wird es Respectability Politics genannt, ein fachübergreifendes Konzept, das sich damit beschäftigt, zu welchen Standards marginalisierte Gruppen gehalten werden, um scheinbar akzeptiert zu werden. Es wurde als erstes von Evelyn Brooks Higginbotham im Rahmen von Black Liberation und Frauenbewegungen so benannt.

Unzählige Beispiele können dafür in verschiedensten Kontexten genannt werden – eine kurze Perspektive im Kontext von Anti-Black Rassismus findet ihr in The Rise of Respectability Politics von Fredrick C. Harris

Für queere Menschen, oder eher LGBT+ Menschen, sieht das meist so aus: dünne bzw. trainierte, weiße, konventionell attraktive Menschen zeigen, wie normal sie sind. Dass sie sind wie alle anderen, nur dazugehören wollen, nicht zu weit aus der Box raustreten, und diese hässlichen, unangepassten, anstößigen Queers mit ihrer sichtbaren Nicht-Konformität und Kinks und so weiter ja genauso doof und übertrieben finden. Ich will mich hier nicht über andere queere Menschen auslassen; es ist ein Schutzmechanismus, den Minderheiten überall schon lange nutzen, um selbst aus der Schusslinie zu kommen.

Von solchen Gefühlen her kommen auch Diskussionen, was denn bei der Pride angebracht ist, ob Kink einen Platz haben darf, und wer sich alles queer nennen darf. Ich war vor nicht allzu langer Zeit selbst nicht sicher, wie ich dazu stehen soll, welches Image wir als Community nach draußen projizieren wollen. Aber das ist eine Falle. Es ist toxisch für unsere Gemeinschaft, unseren Kampf und uns selbst. Es ist schlicht und einfach ahistorisch. Jede queere Bewegung lebte schon immer von denen, die am Rande oder ganz außerhalb der (feinen) Gesellschaft stehen. Leather Daddies, Dykes on Bikes, Kinksters, Crossdresser, Transsexuelle; ohne einander hätten wir heute nicht die Rechte, die wir haben. Und heute wollen wir sie rauswerfen, weil sie sich auf Social Media nicht so gut machen.

Für alle, die sich noch nicht sicher sind, vor allem junge Menschen: hört mir gut zu. Bedingte Akzeptanz ist keine Akzeptanz. Wir sind nie sicher, wenn unsere Existenz nur dann erlaubt ist, solange wir gewisse Grenzen nicht überschreiten. Und damit meine ich explizit die Leute, die bei euch teils Unbehagen verursachen. Menschen in vollem Kink Get-Up bei der Pride, in Fursuits, trans Menschen die nie Passing haben werden, die sich „cringey“ auf Social Media verhalten, hysterisch werden, psychische Erkrankungen, Neurodivergenzen oder Behinderungen haben, sich stereotypisch und „dramatisch“ verhalten, die konsumieren oder Sexarbeit machen. Alle, über die die Gesellschaft auch heute im besten Fall aktiv schweigt. Es ist ok, wenn ihr mal private Berührungsängste habt. Es ist auch in Ordnung, sich manchmal unwohl zu fühlen. Aber das darf nie darin ausarten, die verletzlichsten von uns auszuschließen und unsere Identitäten zu bereinigen zu versuchen, damit sie möglichst leicht verdaulich sind.

Queer ist absichtlich ein Wort, das keine genauen Grenzen hat. Ich werde sicher niemensch aufzuschlüsseln versuchen, was genau queer ist, ab wann Nicht-Monogamie oder Kink da reinfällt, und wer bei der Pride dabei sein darf. So viele wir auch sind, und so viel einfacher die Dinge geworden sind: wir sind von derselben erstickenden Normativität betroffen, die uns am liebsten ganz weg hätte. Und meint nicht, dass ihr nicht die nächsten wärt, wenn die anderen wegillegalisiert worden sind. Wir sehen es gerade in den USA; zuerst Drag Queens, als nächstes werden wieder alte Sodomie-Verbote (Anm.: Sodomie ist eine sehr abfällige Bezeichnung für Analsex, primär auf Sex zwischen Männern bezogen) in die politische Diskussion zurückgeholt.

Auf eine Weise queer zu sein, die viele einfach nicht verstehen und nicht als schön oder ansehnlich wahrnehmen, braucht mehr Mut als die meisten in ihrem Leben jemals aufbringen werden. Authentisch mensch selbst zu sein, auch wenn die Leute lachen und auf mensch spucken, ist einfach nur Punk. Deswegen werde ich mich jederzeit lieber zu den Freaks gesellen als in die „gehobene“ Gesellschaft. Die Freaks sind sowieso unendlich sexier. Und ich hoffe sehr, dass auch ihr nochmal tief in euch schaut und beim nächsten Pride daran denkt:

Gay oder Queer?

So oder so, fick deine Norm.

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