Anlässlich des Intersex Awareness Days am 26. Oktober erschien ein Gastbeitrag einer inter* Person im FUQS Blog darüber, wo Intersex überall unsichtbar ist und warum wir Intersex Awareness weiterhin brauchen.
Begrifflicher Hintergrund
Die Begriffe Intersex oder Intergeschlechtlichkeit stammen aus dem medizinisch-pathologisierenden Diskurs , werden aber auch zunehmend von inter* Personen als empowernde Selbstbezeichnung reklamiert.1 Sie sind Überbegriffe für eine Vielzahl an „untypischen“ Formen der Entwicklung jener Körperanteile, die gesellschaftlich als vergeschlechtlicht betrachtet werden. Die Begriffe zeigen gleichzeitig, dass ein binäres Geschlechtermodell nicht nur gesellschaftlich problematisch, sondern auch biologisch falsch ist, bleiben diesem aber dennoch verhaftet, weil sie nur in Bezug zu diesem Modell funktionieren.2
Impressionen aus Ronja’s Alltag „zwischen Geschlechtern“
Das Bewusstsein für unsere Erfahrungen, unsere Traumata, unsere Anliegen und unser Dasein lässt selbst in progressiven Kreisen noch zu wünschen übrig. Wir seien so wenige, eine statistische Anomalie, es nicht wert, berücksichtigt zu werden. Es wolle uns niemand eine Identität auferlegen oder uns “zwingen”, uns als inter*, queer, “anders” zu definieren. Unsere Variationen seien nur einzelne Krankheitsbilder, nicht miteinander verbunden, “behandelbar”. Selbst dort, wo Wohlwollen und Solidarität da sind, herrscht Unsicherheit und mangelndes Wissen. Nichts davon ist die Schuld einzelner Personen, sondern der Ausdruck unseres allmächtig scheinenden Zweigeschlechtersystems, in dem alles außerhalb von cis Mann und cis Frau benachteiligt bis völlig verleugnet wird.
Worüber nicht gesprochen wird
Ich möchte heute nicht über meine Variation sprechen. Nicht, weil ich nicht stolz und glücklich über meinen Körper bin, oder Scham damit verbinde; diese habe ich nach langer, harter Arbeit ablegen können; sondern weil es oft das erste und einzige ist, was endogeschlechtliche Menschen über mich wissen wollen. Was da genau los ist, die medizinischen Details, unser Trauma, wie uns wehgetan wurde, warum das ein Problem sei. Deswegen sage ich Menschen nur selten, welche genaue Variation ich habe. Es geht sie nichts an. Ich werde mich nicht mehr rechtfertigen, warum ich denn anders bin, ob meine Abweichung ausreichend ist, oder ich doch gesellschaftlich in eine Box gezwungen werden kann, so wie es medizinisch auch im Jahr 2022 noch immer passiert. Denn selbst heute noch gibt es in Österreich keinen übergreifenden Schutz vor geschlechtsverändernden Eingriffen!